Vor einer Weile hatte ich im Newsletter über die Frage geschrieben, wie man Abstand zu den eigenen Gedanken schaffen kann.
Da dieses Thema im Zusammenhang mit Stress eine wichtige Rolle spielt, möchte ich das Ganze auch nochmal hier auf dem Blog beleuchten.

Gedanken sind ein bisschen wie ein zweischneidiges Schwert.
Sie können uns bei der Problemlösung helfen oder uns beruhigen, wenn sie zum Beispiel angenehme Emotionen hervorrufen.
Manche Gedanken können jedoch auch Stresspotenzial bergen. Darüber hatte ich auch schon mal in diesem Artikel hier geschrieben.
Und viele der abertausenden Gedanken, die uns tagtäglich durch den Kopf gehen, nehmen wir nicht mal wirklich wahr.
Andere hingegen ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich.
Dann können sie uns dazu veranlassen, Dinge zu tun, die uns guttun.
Sie können allerdings auch dazu führen, dass wir Dinge unterlassen, die uns guttun würden.
Und natürlich können sie uns auch direkt zu Dingen verleiten, die uns schaden.
Gedanken sind aber erstmal nur Gedanken.
Du musst nicht jedem Gedanken hinterherlaufen, umsetzen oder festhalten.
Und nicht jeder Gedanke ist wahr.
Wie kann man Abstand zu den eigenen Gedanken schaffen?
Unsere Gedanken sind mentale Ereignisse im Kopf, die von etlichen Faktoren beeinflusst werden.
Von Faktoren wie zum Beispiel unseren Erfahrungen, unserer aktuellen Stimmung, äußeren Reizen, aktiven Motiven, Wertevorstellungen, Überzeugungen, Wahrnehmung, usw.
Was noch hinzukommt sind kognitive Verzerrungen.
Damit sind „Denkfehler“ gemeint, die wir mehr oder weniger alle mal haben.
Wie etwa so was wie ein „Schwarz-Weiß“-Denken, bei dem wir etwas entweder nur als schlecht oder als grandios einschätzen und dazwischenliegende Graustufen gar nicht bemerken.
Oder auch das Katastrophisieren, bei dem wir das Schlimmste annehmen und dessen Eintrittswahrscheinlichkeit maßlos überschätzen.
Wir können uns manchmal aber auch sehr gut selbst unnötig unter Druck setzen. Zum Beispiel durch übertrieben hohe Ansprüche an uns selbst. Verbunden mit der Angst, nicht gut genug zu sein.
Es ist übrigens nicht mal der Gedanke selbst, der Stress auslöst.
Entscheidend ist, wie wir einen Gedanken bewerten. Damit geht nämlich auch eine Emotion einher – welche wiederum angenehm oder unangenehm sein kann.
Meistens nehmen wir unsere Gedanken gar nicht bewusst wahr. Wir hinterfragen sie daher auch selten auf ihren Wahrheitsgehalt und lassen uns von den damit einhergehenden Emotionen beeinflussen (oder auch mitreißen).
Unsere Gedanken sind nicht zwingend wahr – oder hilfreich.
Unsere Gedanken sind durch eine Art „Wahrnehmungsfilter“ gefärbt. Sie sind also kein detailgetreues Abbild der Realität.
Dennoch nehmen wir häufig genau das an. Und genau deshalb können einige von ihnen sehr unangenehm und stressverstärkend sein.
Es gibt in der Psychologie den Begriff der kognitiven Defusion.
Damit ist im Prinzip gemeint, sich von den eigenen Gedanken zu distanzieren, um sich weniger mit ihnen zu identifizieren.
Gedanken können uns stressen, wenn wir z.B. unserem inneren Kritiker unreflektiert Glauben schenken.
Wenn er dir beispielsweise immer wieder einredet, eine Versagerin zu sein und du das als wahr einstufst, fühlst du dich wahrscheinlich mies, traust dir weniger zu und kannst deinem Selbstwertgefühl beim Schrumpfen zusehen…
Dann kann es hilfreich sein, zwischendurch Abstand zu deinen Gedanken zu nehmen.
Abstand zu den eigenen Gedanken nehmen
Gedanken wahrnehmen
Der erste Schritt dabei ist, den Gedanken überhaupt wahrzunehmen. Wie gesagt, viele Gedanken rauschen uns einfach so durch den Kopf, ohne dass wir ihnen wirklich Beachtung schenken würden.
Versuche also zwischendurch mal innezuhalten und dich zu fragen „Was denke ich eigentlich gerade? Welche Gedanken sind in diesem Moment da?“
Akzeptiere den Gedanken
Wir können eh nicht kontrollieren, welche Gedanken aufkommen – sie tun es einfach. Unser Gehirn produziert sie am laufenden Band.
Aber du kannst entscheiden, wie du auf einen Gedanken reagieren möchtest.
Also kein Bewerten, kein „ich sollte nicht so denken“, kein Wegschieben. Du nimmst den Gedanken erstmal einfach nur wahr und akzeptierst, dass er da ist.
Wechsle in die Beobachterperspektive, um Distanz zu deinen Gedanken zu schaffen
Achtsamkeit ist hier ganz hilfreich.
Wenn du bemerkt hast, dass da ein stressender Gedanke ist, beobachtest du diesen Gedanken erstmal nur. Und du nimmst eine Beobachterperspektive ein. Du versuchst also, den Gedanken „von außen“ zu betrachten, ohne dich emotional mitreißen zu lassen.
Schriftlich Abstand zu Gedanken schaffen
Beobachten kannst du deine Gedanken entweder so oder auch schriftlich. Deine Gedanken aufzuschreiben, kann dir dabei helfen, mehr Distanz zu ihnen aufzubauen und dich weniger emotional von ihnen mitreißen zu lassen.
Sowohl schriftlich als auch mental kannst du nochmal mehr Abstand zu deinen Gedanken schaffen, indem du sie als Gedanken benennst.
Dazu sagst/schreibst du beim Beobachten zum Beispiel „Ich denke, dass…“ oder „ich habe den Gedanken, dass…“ – oder noch distanzierter: „Ich nehme wahr, dass ich denke, dass…“. Damit machst du dir nochmal bewusst, dass es nur ein Gedanke ist.
Mach dir bewusst, dass es einfach nur ein Gedanke ist
Wie gesagt, nicht jeder Gedanke bildet die unumstößliche Wahrheit ab.
Frage dich vielleicht auch mal, ob ein bestimmter Gedanke (oder auch ein sich wiederholendes Gedankenmuster) hilfreich für dich ist.
Nützt dir dieser bestimmte Gedanke oder macht er dich handlungsunfähig?
Damit meine ich etwa Gedanken wie „Das wird doch eh nie was, so was kann ich nicht und habe ich noch nie gekonnt“.
In diesem Gedanken stecken erstmal Verallgemeinerungen. Verallgemeinerungen wie „nie“, „immer“, „alle“, „niemand“, etc. sind sehr absolut.
Die Schlussfolgerung aus dem obigen Beispielsatz wäre demnach, etwas nicht zu versuchen – aufgrund der Überzeugung eine bestimmte Fähigkeit einfach nicht zu besitzen und diese auch niemals erlernen zu können.
Mit solchen Gedanken blockieren wir uns häufig unnötig selbst.
Im Beispiel könntest du dich daher fragen, ob das stimmt. Also hast du XY noch nie hinbekommen oder gab es Situationen, die das Gegenteil beweisen?
Außerdem könntest du dich fragen, ob es wahr ist, dass du etwas mit 100%iger Sicherheit nicht schaffen wirst.
Und du kannst dir die Frage stellen, welche Gedanken in dieser Situation hilfreicher wären.
Kommen wir nochmal zum Beispiel mit dem Gedanken „Ich bin eine Versagerin“ zurückzukommen. Hier könntest du dich z.B. fragen:
- Ist das wirklich wahr?
- Stimmt dieser Gedanke?
- Was spricht dagegen?
- Welche „Beweise“ liegen vor, dass dem nicht so ist?
- Welcher Gedanke wäre gerade für mich und diese Situation hilfreicher?
Diese Fragen kannst du auch auf andere stressfördernde Überzeugungen anwenden.
Zum Beispiel auf so was wie
- „ich darf keine Fehler machen“
- „ich muss es immer allen recht machen“
- „ich sollte jederzeit für andere da sein“
- „ich muss perfekt sein“
- „wenn ich unproduktiv bin, bin ich wertlos“
- …
Abstand zwischen dich selbst und deinen Gedanken zu bringen, schafft einen Raum.
Und zwar Raum für bewusster Entscheidungen treffen. Du kannst überlegen, ob dieser Gedanke dir gerade nützt und ob du danach handeln möchtest oder nicht. Du bist eben nicht der Gedanke, sondern du hast einen Gedanken.
Dazu möchte ich abschließend noch ein Zitat von Viktor Frankl mit dir teilen:
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.„
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