Es immer anderen recht machen zu wollen, kann auf Dauer ganz schön anstrengend sein.
Doch zunächst mal vorweg:
Freundlich und hilfsbereit zu sein und sich für die Bedürfnisse anderer einsetzen zu wollen, ist etwas Wundervolles.
Du hast vermutlich schon mal gehört, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Daher fühlt es sich meistens auch gut an, etwas für andere zu tun.
Zumindest solange es nicht dazu führt, dass du selbst dabei immer zurückstecken musst.
Wenn ein innerer Antreiber dich dazu anhält, es immer allen anderen recht machen zu müssen, kommen deine eigenen Bedürfnisse vermutlich häufig zu kurz.
Und du verwendest vermutlich auch viel Zeit und Energie auf den Gedanken, wie andere dich wahrnehmen, ob sie dich mögen und was du tun kannst, um ihre Erwartungen an dich nicht zu enttäuschen.

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Dieses „es allen recht machen wollen“ (oder auch People Pleasing) kann daher großes Stresspotenzial in sich bergen.
Besonders dann, wenn du unbewusst nach dieser Überzeugung handelst, ohne sie zu hinterfragen. Verbunden damit ist die Unfähigkeit, nein zu sagen und allgemein Grenzen zu setzen. Das kann unterschiedliche Ursachen und Ausprägungen haben.
Sehen wir uns mal mögliche Ursachen an. Das können verschiedene sein, die auch nicht getrennt voneinander betrachtet werden müssen. Häufig spielen direkt mehrere Faktoren zusammen, die People Pleasing begünstigen.
(Kleine Anmerkung an dieser Stelle: People Pleasing ist keine psychische Erkrankung. Es ist lediglich eine Einstellungs- und Verhaltensweise, die sich allerdings negativ auf die eigene psychische Gesundheit auswirken kann. Denn es geht einher mit der ständigen Beschäftigung mit den Gedanken, wie wir auf andere wirken, wie sie zufrieden stimmen, oder wie wir es anderen recht machen.)
Es anderen recht machen wollen: Mögliche Ursachen
Die Ursachen hinter diesem inneren Druck, es anderen recht machen zu wollen (oder auch das Gefühl es zu müssen, obwohl du es gar nicht möchtest), kann unterschiedliche Ursachen haben.
Erziehung und Sozialisation
Wir werden im Laufe unseres Lebens mit einer Vielzahl von Überzeugungen konfrontiert. Nicht nur mit denen unserer Eltern oder anderer naher Bezugspersonen während der ersten Lebensjahre.
Bestimmte Überzeugungen und Verhaltensregeln lernen wir schließlich auch durch Kita, Schule, Freundeskreis, Medien, etc. kennen.
Dazu gehört unter anderem eben auch die Überzeugung, es allen recht machen zu müssen.
Ich schreibe bewusst „müssen“, denn nicht jede Person, die es anderen recht machen möchte, „möchte“ das auch wirklich von sich aus.
Manche tun es auch einfach, weil sie glauben, dass das Leben nur so funktioniert.
So bilden sich verschiedene Glaubenssätze aus, welche oft unbewusst unser Denken und Handeln beeinflussen. Wie etwa die Überzeugung, dass es unhöflich sei, nein zu sagen.
Wer in der Kindheit von seinen näheren Bezugspersonen zu hören bekommen hat, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, immer freundlich sein zu müssen und dass die anderen immer Vorrang haben, übernimmt diese Denkweisen.
So können sich Überzeugungen ausbilden, wie:
- Meine eigenen Bedürfnisse sind unwichtig
- Ich muss es den anderen recht machen, sonst mag mich niemand
- Nein zu sagen, ist etwas Gemeines
- Ich bin nur liebenswert, wenn ich immer alles für andere mache
Daraus folgt, dass wir z.B. uns im Job aufopfern, jede unbezahlte Überstunde mitnehmen, um die anderen nicht im Stich zu lassen (obwohl wir total erschöpft sind) oder uns in Beziehungen ständig wie auf Eierschalen bewegen.
Um bloß nichts falsch zu machen und dem Gegenüber versuchen, jeden Wunsch zu erfüllen – am besten bevor dieser überhaupt ausgesprochen wurde.
Wer als Kind von den eigenen Eltern nur dann Aufmerksamkeit und Wertschätzung erhielt, wenn man deren Erwartungen erfüllt hat, kann ebenfalls eine Tendenz zum People Pleasing entwickeln.
Als Kind ist es nur sinnvoll, das eigene Verhalten an den Erwartungen der Eltern anzupassen. Immerhin sind wir in dem Alter auf sie angewiesen.
Allerdings ist es meistens nicht so, dass wir diese Verhaltensweisen (und die dahintersteckenden Überzeugungen) einfach loslassen, wenn wir erwachsen werden. So beeinflussen sie uns häufig auch jetzt noch und können uns unnötig stressen.
Geringes Selbstwertgefühl
Wenn du glaubst, dass andere wichtiger sind als du, ist People Pleasing eigentlich schon eine fast logische Konsequenz.
Wenn du ein negatives Selbstbild hast und dein Bedürfnis nach Anerkennung auf der anderen Seite sehr stark ausgeprägt ist, bist du mit hoher Wahrscheinlichkeit bestrebt, anderen alles recht zu machen. Davon erhoffst du dir vielleicht Wertschätzung.
Du gibst dir aufgrund des geringen Selbstwertgefühls selbst keine, daher braucht es die Anerkennung von außen. Und davon am besten viel.
Starker Wunsch nach Harmonie und Konfliktvermeidung
Streitereien und Konflikte mögen die wenigsten. Gerade diejenigen, die ein starkes Bedürfnis nach Harmonie haben, versuchen Konflikte zu vermeiden.
Es allen recht machen zu wollen, kann daher gern mal als Strategie zur Konfliktvermeidung genutzt werden.
Klingt ja auch erstmal nachvollziehbar, denn:
Wenn du alle anderen zufrieden stimmst, nimmst du einem potenziellen Konflikt ja von Vornherein den Wind aus den Segeln. Oder?
Jein.
Die Strategie kann aufgehen, sie tut es allerdings nicht immer.
People Pleasing ist keine Garantie für Harmonie.
Dennoch funktioniert es häufig genug, dass wir es immer wieder versuchen.
Nur geht das meist auf die Kosten der Person, die es anderen recht machen möchte. Denn die eigenen Bedürfnisse werden dabei mal wieder hintenangestellt.
Außerdem entsteht so ein sehr unausgewogenes Beziehungsverhältnis, in dem der People Pleaser eine stets unterwürfige Rolle einnimmt.
Persönlichkeitsmerkmale
Einen Anteil an diesem Verhalten können auch bestimmte Persönlichkeitseigenschaften haben.
Wenn du zum Beispiel eine hohe Ausprägung des Faktors Verträglichkeit hast, bist du ohnehin ein freundlicher und hilfsbereiter Mensch.
Auch der Faktor Gewissenhaftigkeit kann zum People Pleasing beitragen, da du alles richtig und gut machen möchtest.
Und wenn das für dich bedeutet, es allen recht machen zu müssen, kann diese Eigenschaft das Verhalten natürlich nochmal unterstützen.
Mögliche Folgen von People Pleasing
Wenn du es immer allen anderen recht machen möchtest, geht das irgendwann an die Substanz.
People Pleasing kann nicht nur viel Stress mit sich bringen, sondern auch noch weitere Folgen nach sich ziehen. Diese können sich gegenseitig auch nochmal verstärken und oft auch nicht trennscharf voneinander abgrenzen.
Stress – Es allen anderen recht machen zu wollen, ist unmöglich.
Das ganze Unterfangen ist quasi ein Kampf gegen Windmühlen.
Denn wenn Person A meint, dass du unbedingt X tun/sein/sagen/… solltest, ist Person B vielleicht schon wieder komplett anderer Meinung und du machst in ihren Augen alles falsch. Person C ist wahrscheinlich nochmal ganz anderer Ansicht.
Du musst dich also ständig komplett neu ausrichten, je nach dem, was die nächste Person für richtig hält. So fühlst du dich wie ein Fähnchen im Wind.
Wenn dein Ziel ist, es anderen immer recht machen zu wollen, ist das schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt – egal, wie sehr du dich abstrampelst.
Es ist auf Dauer frustrierend, du bekommst vielleicht zunehmend das Gefühl, alles zu geben und dennoch nicht wertgeschätzt zu werden.
Außerdem bist du nur noch damit beschäftigt, etwas für andere zu erledigen.
Du machst Überstunden, lässt Pausen ausfallen, sagst Terminen oder Treffen zu, für die du eigentlich gar keine Energie mehr hast.
Mehr zum Thema Stress findest du hier:
Stresssymptome erkennen – Woran merkst du, dass du gestresst bist?
Wenn Stressvermeidung zum Stressfaktor wird
Stress – Ursachen, Symptome und Abbau
Unzufriedenheit
Du lebst nicht für deine eigenen Bedürfnisse, Werte und Ziele, sondern nur für die der anderen.
Das macht auf Dauer unzufrieden.
Außerdem machst du vermutlich den Großteil des Tages Dinge, auf die du selbst überhaupt keine Lust hast. Zu denen du aber aus Höflichkeit oder weil du nett sein wolltest, ja gesagt hast.
Wenn du zwar als hilfsbereit und nett von anderen wahrgenommen werden möchtest und ständig alles tust, um es ihnen recht zu machen, kann noch etwas passieren:
Nämlich, dass die anderen es irgendwann als selbstverständlich hinnehmen, dass du immer auf Abruf bist und immer springst, sobald jemand was von dir will.
Die Anerkennung und Wertschätzung, die du dir wünschst, kommt so dann vielleicht nicht mal mehr in Form eines „Danke“, sondern eher als ein „Kannst du noch eben…“.
So kann es passieren, dass du einen Groll auf die anderen entwickelst. Zudem besteht die Gefahr, dass du schneller ausgenutzt wirst. Vielleicht kommst du dir irgendwann wie ein Fußabtreter vor.
Dann bricht der Ärger, den du sonst immer in dich hineingefressen hast, evtl. irgendwann aus dir heraus, es kommt zum Streit und das People Pleasing schießt komplett am eigentlichen Ziel der Konfliktvermeidung vorbei.
Erschöpfung
Du nimmst dir keine Zeit für dich, machst keine Pausen – immerhin schätzt du deine Bedürfnisse ja als nicht sonderlich wichtig ein und stellst sie ständig zurück.
Das macht sich auf Dauer allerdings psychisch und körperliche bemerkbar.
Während du damit beschäftigt bist, Überstunden zu machen, auf die Kinder deiner Bekannten aufzupassen, einem Cousin dritten Grades beim Streichen hilfst oder sonst was, fehlt dir diese Zeit für Selbstfürsorge.
Für Sport, gesunde Ernährung, die Pflege deiner sozialen Beziehungen, Erholung, usw.
Burnout ahoi.
Du kannst es niemals allen recht machen, da jeder was anderes von dir will. Irgendwer wird vermutlich immer nicht so ganz zufrieden sein mit dem, was du tust.
Das ist ok und sollte nicht dein Problem sein.
Oberflächliche Beziehungen
Wenn du dich nur daran ausrichtest, von dem du denkst, dass jemand anders dich so haben will, zeigst du dich selbst nicht.
Außerdem können andere dich so auch einfach sehr schlecht einschätzen. Oder es fällt schwer, dir zu vertrauen, weil du ohnehin immer nur das sagst, was die anderen (deiner Einschätzung nach) hören wollen.
Deine wahre Meinung hältst du zurück, was andere auch irgendwann ziemlich nerven kann.
Wenn du deine eigenen Grenzen nicht kommunizierst, kommt es ständig zu Situationen, die dir unangenehm sind.
Kontakt zu sich selbst verlieren
Du lebst letztendlich nicht dein eigenes Leben, wenn du permanent darauf bedacht bist, dich so zu verhalten, wie andere es gern hätten.
Wenn du deine Bedürfnisse ständig ignorierst, deine eigenen Grenzen überschreitest und deine eigenen Werte und Ziele für unwichtig hältst, dann nimmst du das alles vielleicht irgendwann gar nicht mehr so recht wahr.
Du verlierst dich zunehmend selbst aus den Augen und stellst dir vielleicht zunehmend die Frage:
„Wer bin ich überhaupt?“
Wenn du dich selbst nicht mehr kennst, deine eigenen Bedürfnisse nicht erfüllst (oder auch nicht mal mehr wahrnimmst), deine Werte, Ziele oder Grenzen als falsch oder unwichtig empfindest (oder sie nicht mal kennst), fällt dir Selbstfürsorge verständlicherweise schwer.
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Auch kann ein Gefühl von Fremdbestimmung entstehen. Wenn du dein Leben nur nach den (vermeintlichen) Erwartungen anderer ausrichtest, statt an deinen eigenen Werten, Bedürfnissen, Zielen und Grenzen, fühlt es sich irgendwie nicht wie dein eigenes Leben an.
Oder zumindest so, als hättest du einfach kein Mitspracherecht.
Es anderen ständig recht machen zu wollen, hat verschiedene mögliche Ursachen und Folgen. Dahinter können z. B. Persönlichkeitsmerkmale, Erziehungserfahrungen oder ein geringes Selbstwertgefühl stecken. Mögliche Konsequenzen von People Pleasing sind Stress, Erschöpfung bis hin zum Verlust der eigenen Identität.
Falls du noch ein paar Gedankenanstöße möchtest:
In einem anderen Artikel findest du einige Impulse zum Umgang mit People Pleasing.
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