Wenn du einen Hang zum Perfektionismus hast, dann ist folgendes vermutlich häufiger mal ein Thema bei dir: Prokrastination.

Foto von Annie Spratt auf Unsplash
Zu prokrastinieren bedeutet, Aufgaben absichtlich aufzuschieben. Prokrastination wird daher manchmal auch „Aufschieberitis“ genannt.
Das Problem dabei ist, dass das Verschieben von Aufgaben in die Zukunft zwar kurzfristig Erleichterung mit sich bringt. Immerhin musst du dich jetzt gerade nicht mit der unangenehmen Sache beschäftigen.
Allerdings häufen sich dich Dinge dann auch auf lange Sicht an oder es folgen unangenehme Konsequenzen.
Etwa aufgrund von verpassten Abgabeterminen oder das Wiederholen von Prüfungen, da man sich einfach nicht zum Lernen aufraffen konnte und im ersten Anlauf nicht bestanden hat.
Warum prokrastinieren wir?
Dafür gibt es unterschiedliche Gründe (Faulheit ist übrigens meistens keiner).
Zum Beispiel kann Prokrastination mit einer geringen Selbstwirksamkeitserwartung zusammenhängen:
Man traut sich selbst einfach nicht zu, eine bestimmte Aufgabe erfüllen zu können, da man die eigenen Ressourcen dazu (Intelligenz, Konzentrationsvermögen, etc.) als unzureichend einschätzt.
In diesem Artikel sehen wir uns mal Perfektionismus als mögliche Ursache an.
Perfektionismus kann einerseits zu Prokrastination führen, weil ein perfektes Ergebnis erwartet wird.
Damit machen wir uns selbst so viel Druck, dass wir lieber gar nicht erst anfangen, statt es zu versuchen und zu scheitern.
(Und „scheitern“ meint hier dann wirklich jeden noch so kleinen Fehler und jede Abweichung von der Idealvorstellung).
Die Angst vor Fehlern kann dann einfach so groß werden, dass du lieber gar nicht erst anfängst.
Prokrastination und Angst vor Fehlern, Versagen (oder einfach dem „Unperfekten“) können Hand in Hand gehen.
Andererseits kann es auch sein, dass wir auf den „perfekten“ Moment warten, um uns an eine Aufgabe, ein Projekt, ein Vorhaben zu setzen.
Wir haben die Vorstellung davon, erst anfangen zu können, wenn wir uns motiviert, inspiriert und kreativ genug fühlen. Da stellt sich allerdings die Frage:
Was heißt kreativ/motiviert/inspiriert genug?
Unsere Vorstellungen davon, wann etwas perfekt (oder auch nur gut genug) ist, sind häufig sehr schwammig.
Wir haben also kein klares Ziel vor Augen, wann wir mit etwas anfangen oder beenden können. Es könnte immer noch besser sein…
Daher ein paar Gedanken zum perfektionsbedingten Prokrastinieren.
Tipps gegen Prokrastination
1 Fang an
Ja, ich weiß. Klingt nach einem total nutzlosen Tipp.
Aber es geht wirklich darum, überhaupt erstmal anzufangen.
Das bedeutet nicht, dass du eine Aufgabe oder ein Projekt beginnen und im gleichen Zug (perfekt) beenden musst.
Es geht darum zu üben, anzufangen, obwohl die Umstände noch nicht perfekt sind (denn sein wir ehrlich, das kommt nur sehr selten bis nie vor).
Die Punkte, die ich vorhin schon mal angesprochen habe (Inspiration, Kreativität, Motivation) sind vielleicht nie in dem Ausmaß vorhanden, welches du dir wünschst.
An der Stelle kannst du dich nochmal fragen:
- Wie definierst du genug Motivation/Inspiration/Motivation?
- Wie viel müsste es sein, dass du anfangen kannst und woran machst du das fest?
Wenn du allerdings von diesem schwammigen „genug“ abhängig machst, wann du mit etwas anfängst, fängst du vermutlich nie an.
Der Tipp ist also, anzufangen, obwohl Motivation oder Inspiration gerade auf sich warten lassen.
Starte für 10, 20, 30 Minuten und guck mal, ob deine Motivation oder Kreativität dich bis dahin wieder eingeholt haben.
Häufig tritt erst die Aktion selbst Kreativität oder weitere Motivation los und nicht umgekehrt. Und wenn es nicht läuft, kannst du ja nach der von dir gesetzten Zeit wieder aufhören.
Ein bisschen schwieriger sieht es aus, wenn du aufgrund von Erschöpfung, Krankheit oder einem emotionalen Tief einfach nicht mit einer Aufgabe starten kannst.
Statt dich in solchen Momenten krampfhaft zum Arbeiten zu zwingen, ist (zumindest meiner Meinung nach) erstmal Selbstfürsorge angesagt. Psychische und körperliche Gesundheit gehen vor.
Weiterführende Artikel:
Self-Care Ideen: 7 Dinge, die du sofort umsetzen kannst
Selbstfürsorge im Alltag: Es muss nicht kompliziert sein
Gedanken, die uns von Selbstfürsorge abhalten
Mit Selbstfürsorge Stress abbauen und vorbeugen
2 Ablenkungsfreie Zone
Im letzten Absatz ging es eher um innere Faktoren. Sehen wir uns in diesem einmal die äußeren an.
Wir leben in einer Welt voller Ablenkungen.
Das Internet lädt ständig zum Abschweifen ein. Das Smartphone ist meistens griffbereit oder macht sich immer mal wieder mit Push-Nachrichten oder Benachrichtigungstönen bemerkbar.
Wenn du zum Prokrastinieren neigst, dann versuche Ablenkungen zu eliminieren – oder zumindest zu reduzieren, denn alle Ablenkungen können wir meistens nicht selbst ausschalten.
Klar, das Handy können wir stumm stellen oder in einem anderen Raum liegen lassen, während wir konzentriert arbeiten wollen.
Aber es gibt natürlich auch noch andere Dinge, die wir nicht kontrollieren können:
Den Straßenverkehr vorm Fenster, Baustellenlärm, laute Nachbarn, …
Gerade Lärm kann einen sehr schnell wieder aus der Konzentration reißen. Hier können z.B. Kopfhörer Abhilfe schaffen.
Auf den perfekten Moment zum Anfangen zu warten, kann sich also auch mit Blick auf äußere Störfaktoren ins Unendliche ziehen.
Gib dir hier aber auch die Erlaubnis, nicht erst alle potenziellen Störfaktoren aus dem Weg räumen zu müssen, bevor du anfängst.
Denk dran: Die perfekten Umstände lassen sich in der Realität leider meistens nicht erreichen.
3 Gib dir Zeit
Falls du immer wieder aufgrund deines Perfektionismus prokrastinierst, dann sei geduldig und mitfühlend mit dir selbst.
Wenn Perfektionismus dahintersteckt, tut es gleichzeitig auch häufig die Angst vor Fehlern. Doch das Streben nach Perfektion ist dabei an sich erstmal nichts Schlimmes.
In manchen Bereichen erwarten wir immerhin, dass keine Fehler gemacht werden. Zum Beispiel bei einer Gehirnoperation.
Aber im Alltag müssen wir nicht an jeder Stelle 110% geben.
- Der Kindergeburtstag muss nicht zum perfekt durchgeplanten Special-Event werden.
- Die Wohnung muss nicht immer perfekt dekoriert sein.
- Wenn du ein neues Hobby anfängst, musst du es nicht direkt fehlerfrei umsetzen können.
Leichter gesagt als getan – es kann erstmal extrem unangenehm sein, bewusst etwas nicht perfekt zu machen.
Vor allem dann, wenn du diesen Perfektionsanspruch schon früh verinnerlicht hast. Wonach du seit Jahren oder Jahrzehnten unbewusst handelst, kannst du nicht einfach von heute auf morgen ablegen.
Und das ist ok.
Du musst deinen Wunsch nach Perfektion auch gar nicht komplett aufgeben.
Es geht vielmehr darum, dir über diesen inneren Antreiber bewusst zu sein und selbst zu entscheiden, in welchen Bereichen du nach ihm handeln willst und in welchen du auch einfach mal unperfekt sein kannst.
Wie gesagt, du musst nicht in allen Lebensbereichen perfekte Ergebnisse abliefern. Gute reichen meistens auch.
Selbst wenn sich „gut“ nicht „gut genug“ und erstmal unangenehm anfühlt, versuche mal einen Perspektivwechsel:
Das unangenehme Gefühl signalisiert dir, dass du bewusst gegen deinen Antreiber handelst, alles perfekt machen zu müssen. Das kannst du schon mal als Erfolg verbuchen.
Und selbst wenn du zwischendurch wieder in dein gewohntes Handeln zurückfällst, ist das kein Beinbruch.
Bei alteingesessenen Denk- und Verhaltensmustern braucht es eben eine Weile, bis wir nicht mehr automatisch danach handeln.
Also gib dir Zeit.
Und noch eine Sache, falls Prokrastination bei dir eher auf einem Gefühl der Überwältigung basiert:
4 Gehe kleine Schritte
Gerade große Projekte können zu Beginn ziemlich überwältigend sein. So groß, dass allein beim Gedanken daran sämtliche Motivation direkt verpufft. (Unsere Gedanken können uns ohnehin manchmal ziemlich unnötig stressen.)
Wenn dir das auch häufiger passiert, dann brich eine große Aufgabe auf überschaubarere, kleinere Aufgaben herunter.
Statt also das komplette Projekt auf einmal erledigen zu wollen und dich davon erschlagen zu fühlen, überlege dir, in welche kleinen Stücke du es aufteilen kannst.
Welche kleine Aufgabe davon kannst du heute umsetzen?
Das kann auch wirklich nur etwas sehr Kleines sein.
So arbeitest du dich Stück für Stück voran, ohne dich vom großen Ganzen lähmen zu lassen.
Wenn deine Prokrastination also weniger auf Perfektionismus, sondern eher auf einem Gefühl der Überwältigung basiert, dann nimm dir kleine, messbare Schritte vor und stecke dir Zwischenziele.
NEWSLETTER
Wenn du Lust auf regelmäßige Impulse zu Selbstfürsorge, Achtsamkeit und einem nachhaltigen Umgang mit Stress hast, dann trag dich gern ein.
