
Wie soll denn eine Umarmung das Problem lösen? Tut sie nicht. Zumindest nicht direkt. Doch wirkt eine Umarmung gegen Stress.
Stell dir folgendes vor: Du bist gerade in eine Krise gestolpert. Der Stress macht sich in deinen Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen bemerkbar:
Deine Gedanken kreisen darum, was schiefgelaufen sein könnte. Was du falsch gemacht hast.
Gleichzeitig herrscht in dir ein Gefühlschaos. Vielleicht mischen sich zwischen Verzweiflung und Trauer auch Wut und Schamgefühle.
Du verspürst ein Enge in der Brustgegend und hast ein flaues Gefühl im Magen.
Wie könnte eine nahestehende Person dir jetzt direkt helfen?
Berührungen können dein Stresslevel senken
In solchen Situationen fallen häufig gutgemeinte Ratschläge. Allerdings helfen sie an dieser Stelle selten weiter. Besonders dann nicht, wenn dieser Rat beispielsweise „Sieh´s positiv, immerhin…“ oder „So schlimm ist es nicht“ lautet.
Die Absicht dahinter ist eine gute, aber es kommt anders beim Empfänger an. Es suggeriert, dass dessen negativen Gedanken und Emotionen unangebracht sind. Das führt verständlicherweise nicht dazu, dass diese Person sich besser fühlt.
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Auch für eine problemorientierte Lösungssuche bist du gerade nicht in der Verfassung. Zwar könnten bestimmte Vorschläge die Problemlage an sich verbessern. Doch deine akute Stresssituation löst das jetzt gerade erstmal nicht auf.
Du könntest dich so nur zusätzlich noch mehr in deine stressbeladenen Gedanken hineinsteigern.
Dein Gegenüber könnte dich zum Trost auch einfach in den Arm nehmen. Es sind eigentlich gar keine Worte nötig. Dein Körper reagiert sofort auf diese Berührung.
Was bewirken angenehme Berührungen und Umarmungen?

1. Sie verbessern sofort das Wohlbefinden
Eine Umarmung durch einen geliebten Menschen ist eine schnelle Möglichkeit zum Stressabbau. Neben Trost schenkt die Umarmung auch ein Gefühl von Sicherheit und Wärme.
Bei als angenehm erlebten Berührungen wird das „Bindungshormon“ Oxytocin ausgeschüttet. Dieses ist am Abbau von Stresshormonen beteiligt. Zusätzlich werden bei freundschaftlichen Berührungen Opioide (Endorphine) ausgeschüttet. Sie sorgen dafür, dass du negative Eindrücke weniger beachtest.
Bereits auf diese Weise wirkt eine Umarmung gegen Stress.
2. Körperkontakt ist überlebenswichtig für Babys
Neugeborene brauchen mehr als Nahrung. Das ist mittlerweile vermutlich jedem klar. Dieses Wissen beruht unter anderem leider auch auf historischen Beispielen.
Eins davon sind die Waisenkinderversuche von Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen. Um die Sprachentwicklung der Kinder zu untersuchen, war jegliche Interaktion mit ihnen untersagt. Die Neugeborenen bekamen zwar Nahrung, aber mit ihnen durfte nicht gekuschelt oder geredet werden. Die Babys überlebten die ersten Monate ohne Berührung nicht.
Ein weiteres Beispiel sind die rumänischen Kinderheime zur Zeit des Ceaușescu-Regimes. Um die Geburtenrate zu steigern, wurden Paare unter Druck gesetzt. Dazu wurden beispielsweise Verhütungsmittel verboten und Paare mit zu wenig Kindern mussten höhere Steuern zahlen. Die Zahl der Geburten stieg.

Doch viele hatten nicht die Mittel, um so viele Kinder zu ernähren. Die Kinderheime waren bald überfüllt und das überforderte Personal konnte sich nicht angemessen um die Kinder kümmern.
Die Folgen davon zeigen sich im Gehirn: Das Gehirnvolumen der vernachlässigten Kinder ist unterdurchschnittlich. Ihre Intelligenzwerte ebenfalls. Außerdem zeigen sie Verhaltensauffälligkeiten und Defizite in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Eine Berührung oder Umarmung wirkt nicht nur gegen Stress, sondern sind ein essentielles Bedürfnis.
3. Kinder lernen durch Berührung
Über unseren Tastsinn lernen wir zwischen uns selbst und der Umwelt zu unterscheiden. Babys und Kleinkinder differenzieren mit der Zeit zwischen eigenen Berührungen und denen durch andere. Auf diese Weise können Kleinkinder eine Vorstellung von sich und ein soziales Selbst entwickeln.
Berührung ist ein Mittel der Kommunikation zwischen Eltern und Kindern. So verstehen Kinder relativ schnell, was sich hinter verschiedenen Formen von Berührung verbirgt. Wenn die Eltern es hinter sich herziehen, soll es mitkommen. Halten sie es am Arm zurück, soll es stehen bleiben.
Doch Kinder bemerken auch andere Signale. Solche, die von den Eltern unbewusst durch Berührung an sie übertragen werden. Zum Beispiel wenn sie spät dran sind und die Mutter es mit hektischen Bewegungen in Jacke und Schuhe zwängt.
Oder wenn das Kind auf ihrem Schoß sitzt, während die Mutter Angst empfindet. Durch das unbewusste Anspannen des eigenen Körpers löst sie auch beim Kind unbeabsichtigt Furcht aus.

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4. Körperliche Nähe ist gut für das Gehirn
Wie das Beispiel der Heimkinder des Ceaușescu-Regimes zeigt, hat ein Mangel an Berührung und Interaktion negative Folgen für die Gehirnentwicklung. Zudem können Babys sich noch nicht selbst beruhigen. Sie brauchen den elterlichen Trost, um aus ihrer Stresssituation wieder herauszukommen.
Wer dennoch sein Kind in dem Glauben schreien lässt, es damit abzuhärten oder dadurch die Lungen zu stärken, orientiert sich an überholten Erziehungsratgebern. Wer sein Baby schreien lässt bewirkt das Gegenteil: Es wird anfälliger für Stress und baut ein nur geringes Vertrauen in andere auf.
Doch nicht nur auf das frühkindliche Gehirn haben Berührungen einen positiven Einfluss. Angenehme Berührungen können das Erinnerungsvermögen steigern. Für die allgemeine Hirnleistung sind Berührungen ebenso von Vorteil wie für das Lernen.
Sie helfen dem Gehirn, Erlerntes besser zu verarbeiten. Das gilt generell für körperliche Stimuli. Zum Beispiel können wir uns besser an gesehene Filmszenen erinnern, wenn wir sie pantomimisch nachspielen.
5. Berührung ist gesund – so wirkt eine Umarmung gegen Stress
Das zeigt sich etwa in der Eltern-Kind-Beziehung. Regelmäßiges Kuscheln mit den Kindern
Körperkontakt im frühen Kindesalter erhöht die Stressresistenz. Beliebt sind mittlerweile auch Babymassagen.
Diese haben eine anregende Wirkung auf das Wachstum der Kleinen und stabilisieren ihren Herzschlag. Außerdem wird bei angenehmen Berührungen das Hormon Oxytocin ausgeschüttet. Es hilft dabei, Stresshormone abzubauen und damit auch Stressfolgen abzumildern:
- Der Blutdruck sinkt
- körperliche Spannungen lösen sich
- das Immunsystem wird gestärkt
- das Nervensystem beruhigt sich
- entzündungshemmende Prozesse werden unterstützt
6. Berührungen verbessern Paarbeziehungen
Nicht nur freundschaftliche oder elterliche Berührungen wirken sich positiv auf unser Stressempfinden aus. Auch für die Partnerschaft ist körperliche Nähe ausschlaggebend. An der Qualität und Häufigkeit von ausgetauschten Intimitäten lässt sich häufig der Zustand einer Beziehung ablesen.
Frisch Verliebte können kaum die Hände voneinander lassen. Doch schon ab dem zweiten Beziehungsjahr nimmt die Anzahl der Berührungen ab. Nach einem Streit schlafen viele auch nicht Arm in Arm, sondern wenden dem anderen den Rücken zu. Die Abnahme der partnerschaftlichen Berührungen über die Beziehungsdauer hinweg ist also nicht ungewöhnlich.

Dennoch ist es schade. Schließlich sind auch sie ein Mittel zur Stressreduktion und stärken durch das ausgeschüttete Oxytocin das Gefühl der Verbundenheit. Es klingt vielleicht unromantisch, aber Paartherapeuten raten genau deshalb zu festen Terminen zum Kuscheln und Austausch von Intimitäten.

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7. Weniger Einsamkeit durch Nähe
Wir haben uns jetzt die Wirkung von Berührungen in den Lebensphasen von der Geburt bis ins Erwachsenenalter angesehen. Natürlich spielt sich auch im Alter eine Rolle.
Wir wissen: Eine aufrichtige Umarmung kann Trost spenden und gegen Stress helfen.
Doch ohne fühlen wir uns schnell einsam. Dabei ist es egal, wie viele Menschen um uns herum sind. Das betrifft häufig auch ältere Menschen in Pflegeheimen. Zwar erfahren sie körperliche Nähe durch die Pflegekräfte. Diese beschränkt sich jedoch häufig auf professionelle Berührungen und ersetzt nicht die Umarmung eines engen Familienmitglieds.
Fehlende Nähe kann als Bedrohung wahrgenommen werden. Daraus kann sich Angst und Verbitterung entwickeln. Fühlen im Pflegeheim lebende Menschen sich von ihren Familien im Stich gelassen, stoßen sie ihren Angehörigen bei einem Besuch schnell mal vor den Kopf.
Das kann bei den Besuchenden Unverständnis auslösen und zusätzliche Spannung in die Beziehung bringen. Oder die Anzahl der Besuche zurückschrauben.
Doch nicht nur in Pflegeheimen können Menschen vereinsamen. Manche bleiben auch noch lange nach dem Tod des Partners im eignen Haus. Mittlerweile sind Mehrgenerationenhäuser jedoch eher die Ausnahme.
Die eigenen Kinder wohnen häufig woanders. Nicht selten weit entfernt, so dass sie auch nur noch selten vorbeikommen. Die eigenen alternden Eltern zu pflegen, wird ebenfalls unüblicher. Womit wir wieder bei den Pflegeheimen wären.
Mögliche Lösungen sind zum Beispiel Senioren-WGs oder Mehrgenerationenhäuser.

Nochmal zusammengefasst:
Eine aufrichtige Umarmung hilft gegen Stress. Berührungen verbessern nicht nur auf direkterem Wege das Wohlbefinden als Worte. Sie lösen auch eine Flut stimmungsaufhellender Hormone aus, wirken positiv auf die Gesundheit und die Gehirnprozesse. Für Babys ist Kuscheln überlebenswichtig. Kinder lernen über den Tastsinn mehr über sich und die Welt. In jedem Lebensabschnitt sind liebevolle und angenehme Berührungen wichtig für Beziehungen. Das gilt für die Familie, Freundschaften und die Partnerschaft.
Berührungen haben eine Menge Vorteile. Zumindest dann, wenn sie als angenehm empfunden werden. Ob eine Berührung als angenehm oder angemessen, ist gesellschaftlich gefärbt. Es kommt auch darauf an, wie du zu der anderen Person stehst. Berührungen in einer Liebesbeziehung wirst du wahrscheinlich positiv bewerten. Wenn eine wildfremde Person dich plötzlich anfasst, ist dein Empfinden vermutlich ein anderes.

Zum Weiterlesen noch ein paar Buchtipps zum Thema:
- Die berührungslose Gesellschaft – Elisabeth von Thadden
- Wie Berührung hilft – Warum Frauen Wärmflaschen lieben und Männer mehr Tee trinken sollten – Dr. Werner Bartens
- Human Touch – Warum körperliche Nähe so wichtig ist – Dr. Rebecca Böhme
Vielleicht brauchst du jetzt einen kleinen Oxytocin-Schub, möchtest etwas für deine Beziehung tun oder deinem Kind in seiner Entwicklung was Gutes tun? Dann verteile doch direkt ein paar Umarmungen.

Mit deinem Haustier zu kuscheln, erfüllt übrigens den gleichen Zweck.
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