Warum Vorsätze so oft scheitern

warum vorsätze scheitern

Neue Vorhaben setzt man sich schnell, doch: Warum scheitern gute Vorsätze überhaupt? Was hindert uns daran, es einfach durchzuziehen, was wir uns in den Kopf gesetzt haben?

Daher die Frage: Gehörst du auch zu den Menschen, die sich an Neujahr eine ganze Liste mit guten Vorsätzen zurechtgelegt haben?

Wie viele konntest du davon umsetzen? Wenn wir ehrlich sind, ist es doch häufig so: Wir nehmen uns vor, gesünder zu essen, mehr Sport zu treiben oder weniger Zeit am Handy zu verbringen. Vielleicht klappt das auch noch bis Mitte oder Ende Januar.

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Eventuell auch noch ein paar Wochen länger. Aber danach ist meistens schon wieder alles über den Haufen geworfen. Doch woran liegt es, dass wir unsere Vorhaben trotz Motivation nicht umsetzen?

Falls es bei dir mit dem Umsetzen von guten Vorsätzen auch nicht so recht klappen will: Keine Sorge, damit bist du definitv nicht allein. Es ist nämlich einfach schwer – immerhin hält unser Gehirn ein paar Fallstricke bereit.

Heute erfährst du etwas darüber, warum Vorsätze so oft scheitern.

Grund, warum Vorsätze scheitern: Disziplinmangel oder unterentwickelte Selbstkontrolle?

Können wir uns selbst einfach nicht im Griff? Sind wir schlichtweg undiszipliniert? Nicht unbedingt. In der Motivationspsychologie wird angenommen, dass auf die Motivation (was in diesem Fall der Neujahrsvorsatz wäre) auch Volition folgen muss, damit es zur Handlung kommt.

Mit Volition ist Willenskraft gemeint. Motivation und Volition finden sich in verschiedenen Motivationstheorien wieder.

Hier nehmen wir jetzt das HAPA-Modell (Schwarzer, 1992) zur Erklärung. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich „Health Action Process Approach“ bez. das sozial-kognitive Prozessmodell gesundheitlichen Verhaltens.

Das Modell bezieht nicht nur Motivation und Volition ein, sondern benennt auch drei für die Zielsetzung wichtige Aspekte: Selbstwirksamkeitserwartung, Erwartung an das Handlungsergebnis und Risikowahrnehmung.

Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung, ein Vorhaben mithilfe der verfügbaren Ressourcen meistern zu können. Das Konzept der Selbstwirksamkeit (Bandura, 1997) beschreibt also das Gefühl, sich selbst als aktiv und wirksam zu empfinden.

Mit anderen Worten: Wenn du dir etwas vorgenommen hast, bist du auch davon überzeugt, diese Aufgabe mit deinen eigenen Fähigkeiten und Mitteln bewältigen zu können. Eine hohe Selbstwirksamkeit ist eine Voraussetzung dafür, dass deine Vorsätze nicht direkt scheitern.

Die Erwartungen an das Handlungsergebnis können sowohl positiv als auch negativ sein. Wenn die positiven Aspekte überwiegen, steigt die Wahrscheinlichkeit der Zielsetzung natürlich.

Die Risikowahrnehmung bezieht sich auf zwei Fragen:

  • Wie hoch ist meine eigene Verwundbarkeit?
  • Wie wahrscheinlich ist es, dass ich selbst erkranke?

Nehmen wir aus der Reihe der genannten Beispiele den Neujahrsvorsatz, sich gesünder ernähren zu wollen. Mit Blick auf die Punkte Risikowahrnehmung, Handlungsergebniserwartung und Selbstwirksamkeitserwartung könnte diese Motivation folgendermaßen entstanden sein:

Risikowahrnehmung:

Jemand in deiner Familie ist an Diabetes Typ 2 erkrankt oder dein Arzt hat bei dir bereits ein höheres Erkrankungsrisiko festgestellt. Der Anstoß könnte also daher rühren, dass jemand in deinem näheren Umfeld oder von einer eigenen Betroffenheit.

Handlungsergebniserwartung:

Du gehst davon aus, dass dein Erkrankungsrisiko sinkt, wenn du deine Ernährung umstellst.

Selbstwirksamkeitserwartung:

Du bist davon überzeugt, dass du diese Ernährungsumstellung schaffst. Die Selbstwirksamkeitserwartung wird im HAPA-Modell in drei Formen unterteilt. Bei diesem Beispiel hier, handelt es sich um die handlungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung. Doch zu den anderen beiden Formen später mehr.

Gut, die Verhaltensabsicht ist gefasst. Wie geht es jetzt weiter, damit die Vorhaben nicht scheitern?

Die motivationale Phase ist nun abgeschlossen. Die volitionale Phase ist nochmals in drei Phasen unterteilt: voraktionale, aktionale und nachaktionale Phase. In der voraktionalen und aktionalen spielt die aufrechterhaltungsbezogene Selbstaufmerksamkeitserwartung eine Rolle. Für die nachaktionale Phase wird die wiederherstellungsbezogene Selbstaufmerksamkeitserwartung relevant.

Die aufrechterhaltungsbezogene Selbstaufmerksamkeitserwartung hat einen Einfluss auf die Handlungs- und Bewältigungsplanung sowie auf das Verhalten.

  • Bei der Handlungsplanung legst du dir einen Plan mit möglichst genauen zeitlichen und räumlichen Angaben zu deinem Vorhaben zurecht. Zum Beispiel könntest du dir vornehmen, alle Hauptmahlzeiten mit mehr Gemüse zu kombinieren, Fast Food von deinem Ernährungsplan zu streichen und zwischendurch Obst statt Schokoriegel snackst.
  • Bei der Bewältigungsplanung überlegst du dir, welche möglichen Barrieren dein Vorhaben zunichtemachen könnten und wie du diese am besten aus dem Weg räumen kannst. Diese Barrieren können situativ, sozial oder personal bedingt sein. Vielleicht bist du zum Geburtstag deiner Oma eingeladen und möchtest das angebotene Stück Kuchen nicht ausschlagen oder möchtest deine Stimmung nach einem miesen Tag etwas heben, indem du zu deiner Lieblingsschokolade greifst.

Hier kannst du dir überlegen, ob du Ausnahmen zulässt (zum Beispiel beim Geburtstagskuchen) oder dir Wege suchst, Versuchungen aus dem Weg zu gehen. Du weißt, dass du dich bei Stress gern mit Süßkram tröstest?

Dann beuge einer Frust-Fress-Attacke zum Beispiel vor, indem du erst gar keine Süßigkeiten einkaufst und daher einfach keine zu Hause hast. Das mache ich zumindest meistens so, weil ich unter Stress zum Frustfressen neige. Wo wir gerade von Stress reden:

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Vorkehrungen für Versuchungsfallen

Solche Strategien werden auch als präventive Selbstverpflichtung bezeichnet. Ohne diese Selbstverpflichtung können deine Vorsätze schnell scheitern.

Diese basiert auf der Fähigkeit, das eigene Verhalten in bestimmten Situationen vorherzusagen und die eigenen Handlungsmöglichkeiten in dieser Situation vorab so zu gestalten, dass das vorhergesagte Handeln unwahrscheinlicher wird.

Die genannten Barrieren beeinflussen nicht nur Handlungs- und Bewältigungsplanung, sondern auch das Verhalten an sich. Während du dein Vorhaben in die Tat umsetzt, sind verschiedene Prozesse am Werk.

Zum einen muss Initiative vorherrschen, zum andern die Aufrechterhaltung des Verhaltens und dessen Wiederaufnahme nach einem Rückschlag. Denn sehen wir den Tatsachen ins Auge: Wir können noch so stark motiviert sein – irgendwas kann immer dazwischenkommen.

Für den Prozess der Verhaltenswiederaufnahme ist die wiederherstellungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung entscheidend. Diese ist Teil der nachaktionalen Phase.

Hier liegt der grundsätzliche Gedanke vor, das Verhalten trotz Rückschlägen weiterzuführen zu können. Ist diese Form der Selbstwirksamkeitserwartung zu schwach ausgeprägt, fallen Aufrechterhaltung und Wiederherstellung des Verhaltens schwer.

Misserfolge können einen resignieren lassen und wieder in die motivationale Phase zurückschieben. Zurück auf Anfang. Das kann durch eine starke aufrechterhaltungs- und wiederherstellungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung verhindert werden.

Woran liegt es jetzt, dass (trotz ausgeklügelter Planung) Vorhaben scheitern?

Die sozialen, situativen und personalen Barrieren kann man zwar bedenken und Gegenmaßnahmen planen. Doch trotzdem knickt jeder hin und wieder ein. Dafür gibt es verschiedene Gründe. 

warum vorsätze scheitern

Ein Grund dafür ist dieser hier:

Das Gehirn ist schuld, dass Vorsätze scheitern

Wir weichen unter anderen auch deshalb so häufig von unserem Verhalten ab, weil in unserem Kopf zwei unterschiedliche Systeme mehr oder weniger gegeneinander arbeiten. Das menschliche Gehirn hat im Laufe der Evolution Bereiche entwickelt, die uns höhere kognitive Fähigkeiten erlauben.

Dazu gehört etwa das Problemlösen, Planen oder Sprechen. Die Volition oder Willenskraft ist im neueren Teil des Gehirns verortet: im präfrontalen Cortex (PFC). Dieser Teil der Großhirnrinde ermöglicht uns überhaupt erst das zukunftsorientierte Denken und somit auch (Neujahrs-)Vorsätze.

Allerdings sind die älteren Teile des Gehirns ja auch noch da. Und diese können unsere Pläne durchkreuzen. Ein wichtiger chemischer Botenstoff in unserem Gehirn ist der Neurotransmitter Dopamin.

Dieser spielt nicht nur eine Rolle bei Lernprozessen, sondern auch bei Belohnungen. Sobald das Dopaminsystem durch die Aussicht auf eine Belohnung hat, wird es aktiv. Es löst ein starkes Verlangen aus, welches unserem kognitiven Ziel unter Umständen widerspricht.

Auch die Amygdala – eine Hirnregion, die an Emotionen beteiligt ist und daneben auch Angst- und Fluchtreaktionen auslöst – trägt ihren Teil dazu bei, dass so manches Vorhaben scheitert. Auch wenn wir wissen, dass etwas nicht gefährlich ist, können wir Angst davor haben.

Ein Beispiel dafür sind Horrorfilme. Wir wissen, dass die Szenen nicht real sind und trotzdem reagiert unser Körper wie auf eine echte Gefahr: Der Puls steigt, die Pupillen weiten sich, unsere Muskeln spannen sich an.

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Unsere Handlungsteuerung wird also nicht nur von unserem rationalen Denken bestimmt, sondern auch stark von älteren Strukturen.

Diese haben sich in einer Zeit entwickelt, in der unmittelbare Belohnungen und eine sofortige Reaktion auf potenzielle Gefahren überlebenswichtig waren. Schließlich wussten unsere Urahnen nicht, wann es das nächste mal was zu Essen gibt (also zugreifen) oder ob sich hinter dem seltsamen Rascheln nicht ein angriffslustiges Raubtier versteckt (lauf weg!).

Heute stehen uns diese Mechanismen jedoch häufig im Weg. Denn sie führen auch dazu, dass wir Belohnungen nach ihrer zeitlichen Verfügbarkeit bewerten. Ob unsere Vorfahren an ihren Vorsätzen scheiterten, dürfte ihnen also recht egal gewesen sein.

Im Klartext: Wir schreiben unmittelbaren Belohnungen mehr Wert zu als denen, die in fernerer Zukunft liegen. Ein Grund mehr, warum Vorhaben scheitern.

Das ist im Hinblick auf die evolutionäre Entwicklungsgeschichte unseres Gehirns nachvollziehbar. Immerhin sind spätere Belohnungen mit mehr Unsicherheiten verbunden.

Wenn unsere Vorfahren etwas Essbares gefunden haben, aßen sie es also direkt. Denn wer konnte garantieren, dass es in drei Wochen, Tagen oder Minuten immer noch da ist?

Zurück zum Beispiel mit dem Geburtstagskuchen heißt das: Auch hier springt das Dopaminsystem an. Da kann der rationale PFC zwar nett an das Vorhaben erinnern, sich gesünder zu ernähren.

Doch die älteren Teile unseres Gehirns haben immer noch einen so starken Einfluss auf uns, dass wir dann doch schnell mal einknicken.

Falls du mehr über das neurologische Zusammenspiel von älteren und neueren Gehirnregionen interessierst, findest du ausführliche Infos im Beitrag „Warum wir nicht immer tun, was wir wollen. Motivationskonflikte und die neurokognitiven Mechanismen der Selbstkontrolle“ (Goschke, 2018).

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Zum Weiterlesen:

https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/health-action-process-approach

Goschke T. (2018) Warum wir nicht immer tun, was wir wollen. Motivationskonflikte und die neurokognitiven Mechanismen der Selbstkontrolle. In: Gorr C., Bauer M. (eds) Was treibt uns an?. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54857-8_3 https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/selbstwirksamkeitserwartung#search=8e7c3f30d71d432c35137cbc1e3c9a2f&offset=0

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