
Falls dir der Begriff „Achtsamkeit“ in der letzten Zeit häufiger begegnet sein sollte, ist das kein Wunder. Achtsamkeit liegt im Trend. Doch was ist Achtsamkeit? In unserer schnelllebigen Zeit sehnen sich viele Menschen nach etwas, mit dem sie das Hamsterrad verlangsamen können.
Zwischen Terminen, Meetings, Deadlines und Co. vergessen wir nur allzu leicht uns selbst. Wir nehmen uns nur selten Zeit, einfach mal kurz innezuhalten und in uns hinein zu horchen. Wie geht es mir eigentlich gerade? Wie fühlt sich mein Körper in diesem Moment an? Was geht in meinem Kopf vor? Wo bin ich gedanklich gerade?
Wo sind deine Gedanken?
Selbst wenn wir uns eine kleine Auszeit nehmen, sind wir mit den Gedanken nicht unbedingt bei der Sache. Gehen wir etwa mit einer guten Freundin ein Eis essen, kreisen unsere Gedanken vielleicht um den Termin morgen Nachtmittag. Wir sind nicht im Moment.
Statt der Freundin zuzuhören, hängen wir eventuell auch noch in Gedanken einem unangenehmen Erlebnis von letzter Woche nach. Wir genießen nicht den Augenblick mit der Freundin oder erfreuen uns am Geschmack des Eises, sondern grübeln unter Umständen über das nach, was wir im Streit vorgestern zu unserem Partner gesagt haben.
Verwandter Artikel:
Achtsame Kommunikation – mit dir selbst und anderen
Wäre es nicht schöner, sich am Zusammensein mit dem Gegenüber zu erfreuen?
Oder Geschmack, Geruch und Aussehen des Eises auf uns wirken zu lassen?
Stattdessen rasen die Gedanken…
Autopilot statt Achtsamkeit: Im Alltag geschieht vieles nur noch unbewusst
Zugegeben: Ein Großteil von dem, was sich in unserem Gehirn abspielt, geschieht unbewusst. Zum Beispiel unsere sensorische Wahrnehmung. Du musst nicht alle visuellen Reize, die du über die Augen aufnimmst, bewusst zusammensetzen, damit du ein Bild deiner Umwelt erkennst. Das macht das Gehirn selbstständig.
Auch nimmt es uns glücklicherweise den Job ab, die Körperfunktionen am Laufen zu halten. Immerhin musst du nicht permanent daran denken, deinen Herzschlag zu regulieren oder dich alle paar Sekunden ans Atmen erinnern. Das macht der Hirnstamm ganz von allein.
Unsere Handlungen und Gedanken können wir jedoch bewusst und aufmerksam wahrnehmen und beobachten. Das tun wir dennoch nur sehr selten. Wir befinden uns meist im „Autopiloten“. Wie oft bist du bereits zur Arbeit gefahren und hast im Büro bemerkt, dass du von der Autofahrt an sich gar nichts mehr weißt.
Häufig laufen die Handlungen vor dem Verlassen des Hauses so automatisch ab, dass wir nebenbei an völlig andere Dinge denken. Auch hier sind wir nicht bei der Sache. Das hat dann zur Folge, dass wir anschließend unterwegs überlegen, ob die Haustür wirklich abgeschlossen oder der Herd auch tatsächlich aus ist. Verrichten wir Dinge unaufmerksam, behalten wir sie kaum in Erinnerung.
Meditation ist keine Gedankenkontrolle
Achtsamkeit ist eine Form der gesteigerten Aufmerksamkeit. Das bedeutet, voll und ganz bei dem zu sein, was mach gerade tut, fühlt oder denkt. Klingt einfach, ist in der Umsetzung allerdings alles andere als leicht.
Vielleicht hast du schon einmal eine Form von Meditation ausprobiert, aber schnell wieder die Flinte ins Korn geworfen, weil dein Geist einfach nicht frei von Gedanken bleiben wollte. Das ist jedoch auch gar nicht das Ziel des Ganzen.
Viel mehr geht es darum, dir deiner Selbst bewusster zu werden. Du kannst versuchen, dich auf deinen Atem zu konzentrieren und die Gedanken dabei kommen und gehen lassen. Nur solltest du nicht an ihnen haften bleiben, sie analysieren oder sie verbissen zu unterdrücken suchen.
Du kannst deine Gedanken und Gefühle achtsam beobachten und dann wieder loslassen. Meditation ist nochmal ein breites Thema für sich, und bekommt nochmal einen oder mehrere gesonderte Artikel.
Gesundheit fördern mit Achtsamkeitstraining
Achtsamkeit hat viele Vorteile. So kann sie zum Beispiel dabei helfen, auch in stressigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Außerdem hat sie gesundheitsfördernde Eigenschaften. Wenn wir uns unsere Gewohnheiten achtsam vor Augen führen, machen wir uns deren Wirkung auf unsere Psyche und unseren Körper bewusst.
Wir merken so, was uns persönlich guttut und was nicht. Dementsprechend können wir versuchen, unsere Gewohnheiten in andere Bahnen zu lenken. Das ist gar nicht so leicht. Aber Achtsamkeit kann dabei unterstützend sein.
Es handelt sich bei der Achtsamkeit also um ein durchaus nützliches Werkzeug, dass wir eigentlich alle in uns tragen. Leider verliert sich dieses Tool im Laufe des Lebens häufig zunehmend. Kinder leben noch im Hier und Jetzt. Sie gehen zum Beispiel beim Spielen vollkommen im Moment auf, während Erwachsene seltener bei der Sache sind und mit den Gedanken eher in der Vergangenheit oder der Zukunft herumwandern.
Dieser Umstand kann uns stressen.
Wir grübeln über vergangene Ereignisse nach, an denen wir jetzt ohnehin nichts mehr ändern können und ärgern uns darüber, wie die Dinge gelaufen sind. Oder wir planen gedanklich schon die komplette nächste Arbeitswoche durch und machen uns selbst Stress mit Gedanken wie „Schaffe ich es rechtzeitig, die Aufgabe zu erledigen?“ oder „Was ist, wenn ich bei der Präsentation einen Blackout habe, das wäre unheimlich peinlich!“.
Unter Stress werden wir wieder zu Steinzeitmenschen
Achtsamkeit ist ein Mittel zur Stressreduktion. Noch ein Weg, auf dem wir unsere Gesundheit aufrechterhalten oder fördern können. Stress hat nicht nur Auswirkungen auf das aktuelle Denken und Fühlen, sondern wirkt sich sowohl kurz- als auch langfristig auf den Körper aus.
Das Konzept Stress an sich ist kein schlechtes.
In den fight-flight-or-freezeModus zu verfallen, war für unsere Vorfahren überlebenswichtig.
Sie konnten nicht lange überlegen, ob es sich bei dem Rascheln im Gebüsch nicht doch vielleicht um ein angriffslustiges Raubtier handelt. Sie konnten kämpfen oder fliehen.
Dazu spielte der Körper ein Programm ab, bei dem die Atmung schneller wurde, Herzfrequenz und Blutdruck stiegen und die Muskeln sich anspannten, um angemessene Bewegungen ausführen zu können.
Verwandte Artikel:
Stress – Ursachen, Symptome und Abbau
Wie kann ich das Grübeln stoppen? 5 „Weniger-Grübeln-Tipps„
10 Ideen für mehr Psychohygiene
Andere körperliche Funktionen, wie etwa die Verdauung oder die Reproduktion, hatten in solchen Momenten wenig zu melden.
Diese und andere stressbezogenen Körperreaktionen hatten also ihre Berechtigung.
Doch heutzutage begegnen wir im Alltag eher selten gefährlichen Raubtieren – unser Körper fährt dasselbe Programm dennoch bei Gefahren ab.
Auch wenn es sich dabei nur um heranrückende Deadlines, Präsentationen oder einen unliebsamen Besuch bei der Verwandtschaft handelt. Unser Organismus fährt in einer scheinbar bedrohlichen Situation schwere Geschütze auf, um körperliche Höchstleistungen vollbringen zu können. Auch dann, wenn diese nicht nötig sind.
Schließlich ist zum Beispiel bei Stresssituationen im Büro weder eine Flucht noch ein Kampf die beste Wahl.
Diese und andere Stressoren finden sich im Alltag jedoch ständig. Daher ist der achtsame Umgang mit ihnen umso wichtiger. Denn Dauerstress kann ernsthafte Folgen nach sich ziehen.
Dazu gehören beispielsweise neben kurzfristigen Muskelverspannungen und Konzentrationsschwäche auch ein geschwächtes Immunsystem oder Störungen des Herz-Kreislaufsystems. Wenn gleich unsere evolutionäre Stressreaktion in der Steinzeit sehr nützlich war, kann sie uns heute krank machen.
Durch Achtsamkeit wird eine körperliche Entspannungsreaktion eingeleitet
Die Lenkung der Achtsamkeit (zum Beispiel auf den Atem) gibt unserem Körper eine Art „Sicherheitssignal“. Durch eine langsamere und tiefere Atmung kommen wir wieder zur Ruhe. Unsere Muskeln entspannen sich, Herzschlag und Blutdruck pendeln sich wieder auf ein normales Level ein, körperliche Regenerationsprozesse nehmen ihre Arbeit wieder auf.
Gleichzeitig kann Achtsamkeit auch dabei helfen, sich der eigenen Reaktionsmuster bewusster zu werden. Was genau versetzt mich in Stress? Wie bewerte ich bestimmte Situationen und wie reagiere ich, wenn diese mich stressen?
Ob wir ein Erlebnis als stressig erleben oder nicht, hängt auch von unseren individuellen Bewertungen ab. Diese sind beispielsweise von unseren gemachten Erfahrungen geprägt oder von unserer Persönlichkeit. Daher können manche Leute einer Sache auch ganz entlassen entgegentreten, während andere in Panik verfallen.
Außerdem haben wir im Laufe unseres Lebens Denk- und Verhaltensweisen erlernt, die wir heute nicht mehr hinterfragen. Wir führen sie viel mehr unbewusst durch. Durch eine achtsame Beobachtung unserer Reaktionen, können wir diese Muster erkennen und gegebenenfalls ändern. Allerdings ist dafür etwas Übung nötig.
Achtsamkeitstraining kann uns dabei unterstützen. Mit verschiedenen Übungen kann man lernen, aus dem Autopiloten auszusteigen, seine eigenen Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und mit herausfordernden Aufgaben gelassener umzugehen.
Zwar stammt das Konzept der Achtsamkeit aus dem Buddhismus, die Übungen können jedoch ohne religiösen Bezug durchgeführt werden. Der Trend der Achtsamkeit ist also eigentlich gar nicht so neu, sondern schon eine uralte Tradition.
Achtsamkeitstraining ist eine sinnvolle Ergänzung zur westlichen Medizin
Bei der MBSR (kurz für Mindfulness-Based Stress Reduction oder Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion) werden eine Reihe verschiedener Übungen angewendet. Dazu gehören beispielsweise die Meditation (im Sitzen oder Gehen), Yoga oder der Bodyscan. Diese Übungen werden in achtwöchigen Kursen vermittelt, wobei eine Gruppe durch eine*n Trainer*in angeleitet wird.
Verwandter Artikel:
Warum sollte ich meditieren? Gründe und Anleitung
Darin werden nicht nur Übungen praktisch durchgeführt, sondern auch die Inhalte der Achtsamkeitslehre vermittelt. Diese beinhalten verschiedene Aspekte, wie etwa Akzeptanz, Geduld, Absichtslosigkeit oder Urteilsfreiheit.
Um das Gelernte auch im persönlichen Alltag zu festigen, bekommen die Kursteilnehmenden „Hausaufgaben“ zwischen den einzelnen Sitzungen. So sollen die erlernten Konzepte besser verinnerlicht und Achtsamkeit ein Bestandteil des alltäglichen Lebens werden.
Mindfulness is awareness that arises through paying attention, on purpose, in the present moment, non-judgementally.
Jon Kabat-Zinn
Entwickelt wurde das MBSR-Training in den 1970er Jahren von Jon Kabat-Zinn, welcher auf diese Weise die östlichen Konzepte der Meditation und des Yogas in der westlichen Medizin etablierte. Eine lohnenswerte Kombination, da die Schulmedizin an manchen Stellen allein nicht weiterkommt.
Mittlerweise haben auch die Neurowissenschaften die Vorteile des Meditierens belegt und ihre Wirkung bestätigt. Gesundheit und Wohlbefinden können also mit Hilfe von Achtsamkeit gestärkt werden.
Noch eine kleine Empfehlung zum Schluss: Falls du mehr über das Thema MBSR erfahren oder es selbst einmal ausprobieren möchtest, kannst du dich zum Beispiel gern einmal auf der Website von Diplom-Psychologin und Achtsamkeitslehrerin Katja Fleck umsehen.
Der Vorteil an zertifizierten MBSR-Kursen ist der, dass diese finanziell von den Krankenkassen unterstützt werden. Wenn die Zentrale Prüfstelle Prävention einen Kurs zertifiziert hat, bekommst du einen Teil der Gebühren erstattet.
Achtsamkeit ist übrigens ein Bestandteil von Selbstmitgefühl.
Wenn du mehr über Selbstmitgefühl erfahren und auch direkt mal ein paar Übungen dazu ausprobieren möchtest, schau mal in diesen Artikel rein:
Selbstmitgefühl entwickeln – Die Freundlichkeit sich selbst gegenüber

Diese Artikel könnten dich auch interessieren:
- Achtsamkeit für berufstätige Mütter
- MBSR: Nachhaltige Stressbewältigung durch Achtsamkeit
- Warum sollte ich meditieren? Gründe und Anleitung
- Besser schlafen durch deine Abendroutine
- Was bringt eine Morgenroutine? So findest du deine eigene
- Zusammenspiel von Psyche, Schlaf und Gesundheit & 10 Schlaftipps
NEWSLETTER
Lust auf wöchentliche Impulse zu Selbstfürsorge & Achtsamkeit? Dann lass uns per Newsletter in Kontakt bleiben. Darin bekommst du neben Tipps für einen bewussteren Umgang mit Stress auch Infos über meine Angebote.

Zum Weiterlesen:
Eßwein, J. (2010). Achtsamkeitstraining (mit CD). Gräfe und Unzer.