Wenn Gedanken Stress auslösen

Unsere Gedanken können Stress befeuern oder reduzieren.

Ist dir schon mal aufgefallen, dass unterschiedliche Menschen vom selben Ereignis unterschiedlich stark gestresst sind?

Was für Person A keine große Sache ist, kann für Person B eine Katastrophe sein.

Dieser Unterschied liegt in verschiedenen Dingen begründet. Unter anderem in unseren Gedankenmustern.

Wenn Gedanken Stress auslösen - Frau mit lockigen Braunen Haaren im beigen Blazer sitzt an einem Tisch und hat ihr Gesicht nachdenklich auf eine Hand gestützt

Foto von Hamed darzi auf Unsplash

Was ist Stress?

Stress ist eine Reaktion darauf, dass du eine Situation als bedrohlich wahrnimmst und deine Ressourcen als unzureichend einschätzt.

In einem früheren Artikel hatte ich schon mal ausführlicher über das transaktionale Stressmodell geschrieben, falls du im Detail nachlesen möchtest.

Kleine Erinnerung:

Der äußere Umstand an sich (der Reiz) ist nur ein potenzieller Stressauslöser, kein zwingender.

Soll heißen: Ob wir uns durch etwas stressen lassen, hängt davon ab, was in unserer Wahrnehmung und Bewertung im Anschluss passiert.

Wenn du also eine Situation nur als Herausforderung bewertest, der du dich gewachsen siehst, wirst du dich nicht sonderlich gestresst fühlen.

Anders sieht es aus, wenn du die Situation als bedrohlich einschätzt und deine Bewältigungsressourcen als unzureichend bewertest.

Dann tritt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stressreaktion ein.

Was macht der Körper im Stress?

Bei einer Stressreaktion schaltet sich unser sympathisches Nervensystem blitzschnell ein und wir verfallen in einen Fight-Flight-Freeze-Modus. Da unser limbisches System in solchen Momenten das Steuer übernimmt, haben wir es in solchen Situationen schwer, rational zu denken.

Der Körper bereitet sich auf Kampf oder Flucht vor. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass

  • die Atmung schneller wird
  • die Herzfrequenz steigt
  • die Muskeln sich anspannen
  • Blutdruck und Blutzuckerspiegel steigen
  • die Pupillen sich weiten
  • zum Gefahrenzeitpunkt weniger relevante Körperfunktionen (z.B. Verdauung) erstmal ausgesetzt werden
  • usw.

Es spielt sich im Körper also einiges ab, um schnell auf eine potenzielle Gefahr reagieren zu können. Die Stressreaktion an sich ist also etwas richtig Nützliches, wenn man wirklich in Gefahr schwebt.

Allerdings geht das auch ziemlich an die körpereigenen Ressourcen, weshalb Dauerstress sich negativ auf die psychische und körperliche Gesundheit auswirken kann. Daher ist es wichtig, bewusst für einen Ausgleich zu sorgen – statt einfach nur darauf zu hoffen, dass die stressigen Zeiten schon irgendwann von allein wieder aufhören.

Die Rolle der Gedanken bei Stress – Das Stressmodell nach Ellis

Der Psychologe Albert Ellis geht in seinem ABC-Modell ebenfalls davon aus, dass die situative Wahrnehmung mit Bewertungen einhergeht. Diese können bewusst oder unbewusst sein.

Hinter ABC verbergen sich folgende Dinge:

A: Activating Event

Die Situation oder der auslösende Reiz, also den potenziellen Stressauslöser.

B: Beliefs

Umfasst deine Annahmen über die Situation und deine Wahrnehmung davon (A).

C: Consequences

Die emotionalen Konsequenzen, der aus den vorherigen Schritten entstehende Stress.

Wie C ausfällt (ob du dich gestresst fühlst oder nicht), hängt also von B (deinen Gedanken) ab.

Nehmen wir Stau als Beispiel.

A: Der Verkehr stockt.

B: „So ein Mist! Ich hab keine Lust, hier rumzustehen. Das nervt so! Ich will doch einfach nur nach Hause!“ (vs. „Tja, kann man nichts machen. Dann hör ich mir halt so lange ´nen Podcast an.“)

C: Stress (vs. weniger oder kein Stress)

Vom Gedanken zum Stress

Eine Möglichkeit zur Stressreduktion ist es daher, auf diesen drei Ebenen anzusetzen.

A: Die Situation verändern

Klar, das geht nicht immer. Was den Stau angeht, könntest du vielleicht eine andere Route für deinen Nachhauseweg nehmen. Sofern es absehbar ist, dass es auf deiner gewohnten Strecke immer wieder zu Staus kommt. Aber manche Situationen können wir nicht verändern, weil sie schlichtweg außerhalb unserer Kontrolle liegen. Dann lohnt sich ein Blick auf B.

B: Bewertung verändern

Als erstes dürfen wir uns bewusst machen, dass unsere Wahrnehmung nicht fehlerfrei ist. Wir unterliegen einer ganzen Reihe von kognitiven Verzerrungen, ohne uns dessen bewusst zu sein. Aufgrund dieser fehlerhaften oder verzerrten Wahrnehmung bilden wir Urteile, die uns dann Stress bescheren können.

Außerdem wird unsere Wahrnehmung und unsere Urteilsbildung von etlichen Faktoren beeinflusst, z.B. der aktuellen emotionalen Verfassung, vorherrschenden Motiven oder früheren Erfahrungen. Die eigenen Überzeugungen und Bewertungen zu hinterfragen, kann das Stresspotenzial aus einer Situation herausnehmen.

C: Konsequenzen verändern

Wenn du die Situation (A) nicht verändern kannst, ist neben der Veränderung der Gedanken auch die Veränderung der Konsequenzen möglich. Soll heißen: Wenn die Stressreaktion schon im Gange ist, wie gehst du damit um? Hier geht´s also um Stressbewältigung durch z.B. Entspannungstechniken.

Hier findest du Impulse zum Thema „Sich selbst weniger stressen“.

Was sind deine persönlichen Stresssignale?

Was Stressbewältigung angeht, ist es sinnvoll, Selbstreflexion zu betreiben.

Welche Situationen gehen bei dir regelmäßig mit Stress einher?

Das kann alles Mögliche sein, denn jeder bewertet eine potenzielle Stresssituation anders. Gesundheitliche Probleme, Beziehungskonflikte, finanzielle Sorgen, zu wenig Zeit für sich selbst, Einsamkeit, das Klima am Arbeitsplatz, etc.

Was denkst du in solchen Momenten?

Welche Gedanken kommen bei dir auf, die dein Stresslevel befeuern? Sätze wie „Ich bin nicht gut genug“, „So was passiert immer nur mir“ oder „Das schaffe ich nie“? Welche Überzeugungen sorgen dafür, dass du dich gestresst fühlst? Zu welchen Verhaltensweisen führen diese Gedanken regelmäßig bei dir? Wirf hier einen Blick auf deine typischen Denk- und Verhaltensmuster.

Schau mal, welche stressversschärfende Gedanken du bei dir feststellen kannst. Welche Gedanken lösen Stress aus?

Und wie sieht es emotional aus?

Also welche Gefühle gehen mit Stress bei dir einher? Wut, Angst, Bedauern, Verzweiflung, Hilflosigkeit, …? Und wie reagierst du auf diese Gefühle? Lässt du Selbstkritik hageln oder nimmst du sie einfach nur wahr?

Wie fühlt dein Körper sich an?

Welche Körperempfindungen sind bei dir klare Hinweise auf Stress? Zähneknirschen, Verspannungen, Verdauungsprobleme, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, …?

Es gibt eine ganze Reihe von Stressanzeichen, auf die wir achten können. Wenn es unserem Körper zu viel wird, meldet er sich nämlich irgendwann mit Nachdruck…

Was hilft dir im Umgang mit Stress?

Damit meine ich adaptive Bewältigungstechniken (oder auch Coping), mit denen du ein Problem löst (problemorientiertes Coping) oder deine Emotionen auf eine gesunde Weise wieder ins Gleichgewicht bringst (emotionsorientiertes Coping).

Zum Beispiel das Gespräch mit anderen suchen, Sport machen oder gezielt entspannen.

Das Gegenteil davon sind maladaptive Copingstrategien, welche die Situation nicht verbessern und eher mit einem Vermeidungsverhalten einhergehen. Also so was wie Emotionsunterdrückung oder Substanzmissbrauch.

Was gezielte Entspannung angeht – probiere dich da gern aus und beobachte, was für dich funktioniert.

Wenn du z.B. mit Meditation nicht warm werden kannst, suche dir etwas anderes zum Abschalten. Was dir guttut, ist individuell.

Du kannst dir verschiedene Stressmanagement-Tools anschauen und nimmst dir dann das heraus, was für am meisten nützt.  

Anmerkungen zum Schluss:

Stress, Herausforderungen, Höhen und Tiefen sind ein Teil des Lebens. Du wirst solche Momente nie vollkommen vermeiden können, zumal wir bestimmte Dinge auch einfach nicht beeinflussen oder kontrollieren können.

Der Gedanke, Stress unbedingt vermeiden zu müssen, kann ironischerweise zu noch mehr Stress führen. Statt dich selbst unnötig unter Druck zu setzen, weil du eine vollkommene Stressvermeidung perfektionieren willst, sei geduldig und mitfühlend mit dir selbst.

Wenn du gerade erst anfängst, dich mit Stressmanagement, Achtsamkeit, Selbstfürsorge und Co zu beschäftigen, dann erwarte nicht von heute auf morgen eine 180°-Wende in deinem Denken, Fühlen und Handeln. Neue Denk- und Verhaltensmuster zu entwickeln, braucht Zeit.

Und noch was:

Mit dem ABC-Modell soll nur der Mechanismus veranschaulicht werden, wie Gedanken Stress auslösen können. Natürlich gibt es Unterschiede bei den persönlichen Ressourcen, die wir nicht einfach durch „positiveres Denken“ schönreden können.

Jemand mit geringem Einkommen steht bei einer Mieterhöhung vor ganz anderen Herausforderungen als Besserverdienende.

Personen mit einem schwach ausgeprägten sozialen Netzwerk erhalten wahrscheinlich weniger Unterstützung als Menschen mit einem großen Freundes- und Bekanntenkreis.

Menschen mit chronischen Erkrankungen sehen sich anderen Schwierigkeiten im Leben gegenüber als Gesunde.

Jeder hat einen anderen Hintergrund, daher reagiert auch jeder unterschiedlich auf potenzielle Stresssituationen. Und jeder hat andere Bedürfnisse was Stressbewältigung und Selbstfürsorge angeht.

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