Wenn Stressvermeidung zum Stressfaktor wird

Stressvermeidung – Wie oft hast du schon den Rat bekommen, dass du Stress vermeiden sollst?

Wenn du tendenziell recht stressanfällig bist und Stresssymptome bei dir eher die Regel als die Ausnahme sind, dann hast du diesen Hinweis wahrscheinlich schon ziemlich oft gehört.

Bild mit Kopfhörern und dem Hinweis, dass man sich den Artikel "Wenn stressvermeidung zum Stressfaktor wird" anhören kann

Deswegen mal die Frage:

Wie ging´s dir mit diesem Ratschlag?

Hat er was gebracht?

Konntest du ihn direkt umsetzen und warst von da an komplett stressfrei?

Falls ja, Hut ab. Ehrlich.

Denn jedes Mal, wenn ich diesen Rat im Rahmen eines Arztbesuches bekommen hab, war mir wenig damit geholfen.

Zumal der Rat, Stress zu vermeiden auch meistens komplett ohne weitere Hinweise kam.

Stressvermeidung- Wie soll ich denn Stress vermeiden?

Es gibt so unfassbar viele Dinge, die mich stressen und auch vieles, womit ich mich selbst stresse.

Wo setze ich denn an?

Und wie?

Früher habe ich mich dadurch noch gestresster gefühlt, weil ich es einfach nicht hinbekommen habe, Stress zu vermeiden.

Die Folge war, dass ich mir ständig Gedanken gemacht habe, was ich alles falsch mache. (Wie Gedanken auch nochmal stressverstärkend wirken können, kannst du hier nachlesen.)

Ich habe mich gefragt, warum ich das nicht hinbekomme und trotz Entspannungsmethoden, Yoga, etc. immer noch ständig gestresst bin.

Und das, obwohl ich doch Stress vermeiden soll…

Denn Dauerstress kann einfach eine Vielzahl von gesundheitlichen Langzeitfolgen mit sich bringen. Daher ist es ja nur sinnvoll, so wenig Stress wie möglich zu haben.

Kurzum:

Der Gedanke, Stress unbedingt vermeiden zu müssen, hat mich noch mehr gestresst.

Was mir erst später bewusst wurde:

Die Wortwahl war einfach nicht günstig.

Denn Stress komplett zu vermeiden, geht einfach nicht.

Es wird immer Situationen und Phasen geben, in denen wir uns gestresst fühlen.

Und je gestresster wir sind, desto empfindlicher reagieren wir auf weitere Stressoren.

Deswegen kann eine komplette Vermeidung von Stress (zumindest meiner Einschätzung nach) nie funktionieren.

Wenn ich über den Umgang mit Stress spreche, dann nutze ich lieber die Begriffe „Stressmanagement“ oder „Stressbewältigung“.

Bei diesen Bezeichnungen schwingt eher die Botschaft mit, dass Stress immer irgendwo auftauchen wird und der Fokus auf einem gesunden Umgang damit liegt.

Es stellt sich also die Frage:

Wie gehe ich mit Stress um, statt ihn zu vermeiden?

Das nimmt enorm viel Druck aus der ganzen Geschichte.

Versteh mich nicht falsch. Stress lässt sich zum Teil vermeiden.

Zum Beispiel, indem wir

  • unsere To-Do-Listen nicht komplett vollquetschen
  • nicht zu jedem Termin ja sagen
  • unsere Bedürfnisse (nach Schlaf, Essen, Ruhe, etc.) nicht ignorieren
  • unsere Zeit und Energie besser einteilen
  • unsere Grenzen akzeptieren und kommunizieren
  • Prioritäten setzen und nicht alles auf einmal erledigen wollen
  • Hilfe annehmen und auch danach fragen
  • uns selbst Pausen erlauben
  • usw.

Dazu gehört dann aber auch, die eigenen Denk- und Verhaltensmuster unter die Lupe zu nehmen.

Dadurch kannst du erkennen, welche deiner Überzeugungen, Bewertungen oder Glaubenssätze und Verhaltensweisen dazu führen, dass immer mehr Stress entsteht.

Das bedeutet nicht, dass du einfach selbst schuld bist an deinem Stress.

Nur, dass du selbst an bestimmten Stellschrauben drehen kannst, um bestimmte Stressquellen versiegen zu lassen.

Stress ist etwas Individuelles

Was dich stresst, hängt auch mit deinen Erfahrungen, Erwartungen, deiner Gesundheit, deiner Persönlichkeit zusammen.

Und eben mit Überzeugungen, die du schon seit Ewigkeiten mit dir herumträgst. Solchen, die in deiner Kindheit ihren Zweck erfüllten haben, dir heute aber das Leben schwer machen.  

Ein nachhaltiger Umgang mit Stress bedeutet auch viel Selbstreflexion und das Erlernen neuer Gewohnheiten. Das ist alles andere als einfach. Daher solltest du dir selbst sowohl Zeit als auch Geduld geben.

Ein Stresstagebuch kann dir helfen, deine persönlichen Stressfaktoren zu identifizieren und auch dein Stresslevel im Auge zu behalten. Und darauf zu achten, was deine Alarmsignale sind.

Es gibt eine Vielzahl von Symptomen, die auf Stress hindeuten – sowohl körperlich als auch im Denken, Fühlen und Verhalten.

Ein paar Beispiele:

Körperlich:

  • ständige Kopfschmerzen
  • Erschöpfung
  • Magen-Darm-Probleme
  • Schlafprobleme

Gedanklich:

  • Konzentrationsmangel
  • Grübeln
  • negative Gedankenspiralen
  • Gedanken wie „ich muss noch schnell…“
  • Vergesslichkeit
  • ….

Fühlen:

  • Gereiztheit
  • Ärger
  • Frustration
  • Hilflosigkeit
  • Verzweiflung

Verhalten:

  • kurzangebunden
  • hastige Bewegungen
  • verändertes Essverhalten
  • mehr Konflikte

Die Liste ist lang. Und nicht jeder zeigt dieselben Stresssymptome.

Weitere Anzeichen und mehr zur Stressreaktion (die nebenbei bemerkt etwas sehr Nützliches ist) findest du in diesem Artikel:

Stress – Ursachen, Symptome und Abbau
Stresssymptome erkennen – Woran merkst du, dass du gestresst bist?

Stressvermeidung als Stressfaktor

Alle Stressoren lassen sich leider nicht vermeiden und – wie gesagt – stressige Situationen werden immer mal wieder im Leben aufkommen.

Deswegen bringt das Streben danach, Stress um jeden Preis vermeiden zu wollen auch nichts.

Außer noch mehr Stress.

Bei allem, was du nicht beeinflussen oder kontrollieren – d.h. Stressoren, die du nicht vermeiden kannst – ist dann die Bewältigung des Stresses angesagt.

Hier kommen dann Entspannungsmethoden oder Sport zum Einsatz.

Zur Stressbewältigung kannst du an verschiedenen Stellen ansetzen

Zum Entspannen kannst du z.B. Meditation, Yoga, Bodyscan, progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Atemübungen praktizieren.

Sport bzw. körperliche Aktivität hilft dabei, Stresshormone abzubauen und hält dich zusätzlich fit (deswegen gehört Bewegung auch mit zur Selbstfürsorge).

Hier kannst du auch wieder schauen, was für dich am besten passt: Joggen, Schwimmen, Kraftsport,…was auch immer dir Spaß macht. Schon ein ausgedehnter Spaziergang kann sehr gut tun.

Oder andere Tätigkeiten, die dir dabei helfen, Stress abzubauen und dich wieder ausgeglichener zu fühlen: Schreiben, mit einer guten Freundin reden, kochen, zeichnen,…

Stressbewältigung statt Stressvermeidung: meditierende Frau im gelben Pullover und schwarzer Yogahose sitzt auf gelber Yogamatte auf dem Rasen

Was dir gut tut und was dir bei der Stressbewältigung hilft, ist etwas sehr Individuelles.

Beim Umgang mit Stress allgemein sind Achtsamkeit und Selbstfürsorge nützliche Werkzeuge.

Je achtsamer du dir selbst gegenüber bist, desto schneller kannst du Stressanzeichen bei dir bemerken und gegensteuern.

Deine Achtsamkeit kannst du beispielsweise mit Übungen wie Meditation oder dem Bodyscan üben.

Mehr zu Achtsamkeit und Meditation:
Was ist Achtsamkeit?
Mehr Achtsamkeit im Alltag – 5 Tipps
Meditation in den Alltag einbauen – 5 Tipps
Der Atem als Anker im Hier & Jetzt (+ Mini-Meditation)
 

Selbstfürsorge kann dir dabei helfen, deine Akkus wieder aufzuladen und für künftige Stressphasen besser wegzustecken.

Zur Selbstfürsorge gehören eigentlich alle Dinge, die dein Wohlbefinden langfristig fördern (ja, auch Dinge, auf die du im Moment vielleicht so gar keine Lust hast, z.B. Vorsorgeuntersuchungen).

Sie schließt daher alle Lebensbereiche ein: Bewegung, Ernährung, Beziehungen, Schlaf, Arbeit, körperliche und psychische Gesundheit, etc.

Mehr zum Thema Selbstfürsorge findest du in diesen Artikeln:
Mit Selbstfürsorge Stress abbauen und vorbeugen
Darum gehören Achtsamkeit und Selbstfürsorge zusammen
Selbstfürsorge im Alltag: Es muss nicht kompliziert sein

Was auch im Umgang mit Stress hilfreich sein kann, unseren Umgang mit uns selbst zu beobachten.

Wie sprichst du mit dir selbst, wenn du gestresst bist (oder auch allgemein)?

Machst du dir Vorwürfe, weil (scheinbar) alle anderen es ja irgendwie hinkriegen nur du nicht?

Oder beschimpfst du dich für jeden noch so kleinen Fehler, der dir unterläuft?

Wenn du mit dir selbst wesentlich strenger bist und härter ins Gericht gehst als mit anderen, könntest du auch mal einen Blick auf das Thema Selbstmitgefühl werfen.

Selbstmitgefühl entwickeln – Die Freundlichkeit sich selbst gegenüber

Fazit: Eine komplette Stressvermeidung funktioniert nicht

Nochmal zusammengefasst:

Stress lässt sich nicht komplett vermeiden. Daher ist unser Umgang damit wichtig.

Außerdem findet Stress vor allem im Kopf statt.

Das bedeutet, wir können durch eine Veränderung in unseren Denk- und Verhaltensweisen auch unser Stresslevel senken.

Da es aber trotzdem immer wieder Situationen geben wird, die eine Stressreaktion in uns auslösen, sind anschließende Regenerationsphasen wichtig.

Diese kannst du mit Entspannungsübungen oder anderen Tätigkeiten füllen, die dir persönlich gut tun.

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